Ein „doppelt“ kündigungsgeschützter Vertragslehrer
Zum doppelten Kündigungsschutz eines Vertragsbediensteten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz und nach dem Vertragsbedienstetengesetz.
Der Dienstnehmer ist ein vertraglicher Hauptschullehrer (Vertragsbediensteter) im Alter von etwa 59 Jahren, der seit dem Jahr 2010 bei einem österreichischen Bundesland mit einem Einkommen von zuletzt circa Euro 2.100,- netto beschäftigt war oder dort vielleicht auch noch immer beschäftigt ist. Denn nachdem das Bundesland gegenüber dem Vertragslehrer mit Schreiben vom 25.8.2015 eine Dienstgeberkündigung ausgesprochen hatte, schwelt zwischen den Beteiligten ein Streit darüber, ob das Dienstverhältnis tatsächlich zu Recht durch eine Dienstgeberkündigung beendet werden konnte oder nicht. Dieser Einzelfall ist rechtlich insofern von gesamtheitlicher Bedeutung, weil der Oberste Gerichtshof dem Dienstnehmer in seiner Entscheidung vom 28.2.2017 zur Geschäftszahl 9 ObA 3/17g einen „doppelten“ Kündigungsschutz sowohl nach dem Behinderteneinstellungsgesetz als auch nach dem Vertragsbedienstetengesetz 1948 zuerkennt.
Worum geht es? Im Sommer 2013 fasste der Dienstgeber den Entschluss, gegenüber dem Dienstnehmer eine Kündigung aussprechen zu wollen. Die Gründe für eine solche vom Dienstgeber beabsichtigte Kündigung sollten im Wesentlichen offenbar folgende Probleme mit dem Dienstnehmer sein: Es gebe massive Auseinandersetzungen des Vertragslehrers mit der Schulleitung und den Eltern, beim Vertragslehrer bestehe ein schädlicher Alkoholabusus mit den Folgen einer eingeschränkten Konfliktfähigkeit sowie einer Beeinträchtigung der Dauerbelastbarkeit und Aufmerksamkeit, der Vertragslehrer habe die Planung der Unterrichtsstunden grob vernachlässigt, die Kommunikation des Vertragslehrers mit den Schülern sei von Beschimpfungen und Beleidigungen geprägt, der Vertragslehrer zeige kaum Bereitschaft zur kollegialen Zusammenarbeit im Team und das Gesamtverhalten des Vertragslehrers habe sich letztlich trotz unzähliger beratender und motivierender Gespräche nicht gebessert. Treffen diese vom Dienstgeber erhobenen Vorwürfe tatsächlich zu, ist sein Wunsch nach einer Auflösung des Dienstverhältnisses nachvollziehbar. Ganz ohne Streit sollte die Trennung freilich nicht verlaufen.
Für den Dienstgeber war im konkreten Fall zunächst bedeutsam, dass der Dienstnehmer dem Kreis der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz angehörte und der Dienstgeber somit vor Ausspruch einer beabsichtigten Kündigung erst einmal eine Zustimmung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz bei der Verwaltungsbehörde einholen musste. Also richtete der Dienstgeber mit Schreiben vom 29.7.2013 einen Antrag an den Behindertenausschuss beim Bundessozialamt und beantragte dort die Zustimmung zur Kündigung des Dienstnehmers gemäß § 8 Behinderteneinstellungsgesetz. In weiterer Folge erteilten der Behindertenausschuss beim Bundessozialamt als erste Instanz mit Bescheid vom 17.12.2013 und eineinhalb Jahre später nach einem vom Dienstnehmer erhobenen Rechtsmittel das Bundesverwaltungsgericht Österreich als zweite Instanz mit Erkenntnis vom 6.7.2015 die vom Dienstgeber angestrebte Zustimmung zur Kündigung. Wesentliche Begründung: Dem Dienstgeber sei eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit dem Dienstnehmer nicht mehr weiter zumutbar. Der Dienstnehmer habe im Sinne von § 8 Absatz 4 litera c Behinderteneinstellungsgesetz seine ihm obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und einer Weiterbeschäftigung stünden Gründe der Arbeitsdisziplin entgegen. An alldem ändere auch die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers im Hinblick auf seine Eigenschaft als begünstigter Behinderter nichts.
Vor diesem Hintergrund sprach nun der Dienstgeber – die Verwaltungsbehörden hatten dem Dienstgeber ja ihre Zustimmung zur Kündigung erteilt – mit Schreiben vom 25.8.2015 gegenüber dem Dienstnehmer eine Kündigung wegen gröblichen Dienstpflichtverletzungen trotz mehrfacher Weisungen und Ermahnungen aus, wobei sich der Dienstgeber inhaltlich auf die Kündigungsgründe nach § 32 Absatz 2 Ziffer 1, Ziffer 3 und Ziffer 6 Vertragsbedienstetengesetz 1948 stützte. Damit war die Sache aber nicht beendet: Der Dienstnehmer brachte gegen die Kündigung eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht mit dem sinngemäßen Vorbringen ein, dass der Dienstnehmer als Vertragsbediensteter einen (zusätzlichen) besonderen Kündigungsschutz nach dem Vertragsbedienstetengesetz 1948 habe, die vom Dienstgeber behaupteten Kündigungsgründe nicht vorliegen würden und das Dienstverhältnis daher weiterhin aufrecht sei.
Aber kann der Dienstnehmer den Dienstgeber überhaupt noch beim Arbeits- und Sozialgericht auf den weiteren Fortbestand des Dienstverhältnisses klagen? Immerhin hatten ja bereits die Verwaltungsbehörden dem Dienstgeber vorweg die Zustimmung zur Kündigung erteilt und in der Sache kündigungstaugliche Pflichtverletzungen angenommen. Diese entscheidende Frage musste innerhalb der Rechtsprechung bislang als offen angesehen werden, weil der Oberste Gerichtshof zum Verhältnis zwischen dem besonderen Kündigungsschutz nach dem Behinderteneinstellungsgesetz und dem besonderen Kündigungsschutz nach dem Vertragsbedienstetengesetz 1948 noch nicht Stellung genommen hatte. Nun spricht der Oberste Gerichtshof in seiner diesbezüglich ergangenen Entscheidung vom 28.2.2017 zur Geschäftszahl 9 ObA 3/17g jedoch klärend aus, dass die Arbeits- und Sozialgerichte das Vorliegen von Kündigungsgründen auch dann selbstständig prüfen müssen, wenn die Verwaltungsbehörden bereits einen gleichartigen Kündigungsgrund angenommen und im Vorfeld ihre Zustimmung zur Kündigung erteilt haben. Für die endgültige Wirksamkeit der vom Dienstgeber gegenüber dem Dienstnehmer ausgesprochenen Kündigung ist daher im Wesentlichen ein weiteres Verfahren darüber zu führen, ob nach den Verwaltungsbehörden auch das Arbeits- und Sozialgericht einen Kündigungsgrund bejaht oder nicht. Und damit wird sich jetzt das Arbeits- und Sozialgericht im Einzelnen befassen müssen. Die endgültige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Kündigung steht aus.
Fazit: In diesem besonderen Einzelfall genießt der Vertragsbedienstete nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einen „doppelten“ Kündigungsschutz einmal als begünstigter Behinderter nach dem Behinderteneinstellungsgesetz und einmal als Vertragsbediensteter nach dem Vertragsbedienstetengesetz 1948. Das bedeutet, dass der Dienstgeber noch vor dem beabsichtigten Kündigungsausspruch die Zustimmung der Verwaltungsbehörde zur Kündigung einholen muss. Erteilt die Verwaltungsbehörde ihre Zustimmung und spricht der Dienstgeber anschließend gegenüber dem Dienstnehmer die Kündigung aus, kann der Dienstnehmer die Kündigung durch das Arbeits- und Sozialgericht quasi ein zweites Mal auf den Prüfstand stellen lassen. Wie verschiedene Stellungnahmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur zeigen, ist ein solches Ergebnis nicht unumstritten. Allerdings traf der Oberste Gerichtshof hinsichtlich dieser Meinungsverschiedenheiten eine klärende Entscheidung: Die Trennung von einem Dienstnehmer mittels Dienstgeberkündigung verläuft hier doppelstufig.
Siehe dazu insbesondere:
• BVwG 6.7.2015, W133 2002227-1.
• OGH 28.2.2017, 9 ObA 3/17g.