Der Austritt eines Fußballtrainers

Arbeitsrecht und Fußball: Übt ein Fußballpräsident Kritik am Fußballtrainer, muss sich der Fußballtrainer nicht alles gefallen lassen.

Das Arbeitsrecht erfasst häufig auch die Fußballbranche. So gab es zum Beispiel einmal einen Gerichtsstreit zwischen dem Fußballtrainer Ivan O***** und dem Bundesligaclub S***** *****. Die wesentliche Rechtsfrage dieses Gerichtsstreits war: Welche von einem Fußballpräsidenten ausgehende Kritik muss ein hochbezahlter und im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehender Fußballtrainer aushalten?

Der Fußballtrainer bezog ein monatliches Gehalt in der Höhe von Euro 21.802,- netto (12x jährlich) zuzüglich allfälliger Sonderprämien. Er konnte mit dem Fußballclub in der Bundesliga zweimal den Meistertitel gewinnen und erreichte ansonsten viermal den zweiten Platz, einmal den dritten Platz und einmal den vierten Platz. Darüber hinaus gelang es dem Fußballtrainer, mit dem Fußballclub dreimal in die Gruppenphase der Champions League einzuziehen. In Erfolgszeiten war der Fußballpräsident voll des Lobes für den Fußballtrainer. Anders war es hingegen in Verlustphasen. Dann übte der in seinen Erwartungen enttäuschte Fußballpräsident nämlich öffentliche Kritik am Fußballtrainer, wobei es anschließend immer wieder zu Aussprachen zwischen den beiden Akteuren kam. Nichtsdestotrotz setzte die öffentliche Kritik den Fußballtrainer psychisch unter Druck.

Am Vormittag des 13.9.2002 bekam der Fußballtrainer den Vorabdruck eines Interviews zu Gesicht, das der Fußballpräsident gegenüber dem Sportmagazin gab. Darin sagte der Fußballpräsident unter anderem: „… Sie (gemeint: der Fußballtrainer und der sportliche Leiter) kriegen ihren Hintern aus Graz nicht hinaus. Sie sind nicht einmal Maccabi Haifa anschauen gefahren, normal ist das eine Fristlose… Das war ihnen zu weit, aber gut, alte Herren werden eben bequem mit der Zeit… Am liebsten wäre ihm gewesen, du bringst ihm (gemeint: dem Fußballtrainer) nur Ćevapćići und Ražnjići“. Diese Freunderlwirtschaft! (gemeint: Der Fußballtrainer favorisiere die Anwerbung von Landsleuten aus Ex-Jugoslawien als Spieler)… Aber sobald O***** Verantwortung übernehmen muss, streikt er. Der hat auch keine Manieren. Kann nicht einmal grüßen. Er grüßt nicht einmal Vorstandsmitglieder. Er ist ein weiser, gescheiter Mensch und der beste Trainer Österreichs, aber sobald er das Feld verlässt, interessiert ihn nichts mehr. Sehen tut er viel, aber er traut sich keine Verantwortung übernehmen. Er ist feig wie kein zweiter, überhaupt nicht konsequent. Alles bleibt vage bei O*****. Er verkauft sich der Presse ja sensationell, und ich stehe ja auf eine Art auch auf ihn, wirklich, aber er muss ein bisserl anders werden, gewisse Spieler brauchen ein Gespräch. Er redet ja mit keinem. Und der S***** ist der gleiche. Die Jugend kannst heute nicht so behandeln, wie es O***** in der kommunistischen Ära gemacht hat. Der muss ja auch an sich arbeiten, „Kann ich nicht, bin ich so“, hat er gesagt, „müssen sie anderen Trainer nehmen.“ Ja, und wenn ich es will, fragt er: „Was krieg ich“, „Zahlen sie mich aus, es geht nicht mehr“…“

Anschließend leitete der Fußballtrainer am Nachmittag des 13.9.2002 normal das Training mit der Mannschaft. In weiterer Folge fuhr der Fußballtrainer am nächsten Tag mit der Mannschaft zu einem Trainingslager, wo er einige Spieler mit dem Sportmagazin sah, in dem das Interview mit dem Fußballpräsidenten abgedruckt war. Der Fußballtrainer war nun der Ansicht, seine Autorität gegenüber den Spielern verloren zu haben und bei ihnen nichts mehr bewirken zu können. Sodann fand am Nachmittag des 13.9.2002 ein Meisterschaftsspiel statt, das der Fußballclub verlor. Als der Fußballtrainer nach dem verlorenen Meisterschaftsspiel schließlich vom Präsidenten und zwei weiteren Vorstandsmitgliedern in der Kabine aufgesucht wurde, erklärte der Fußballtrainer seinen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis.

War dieser vom Fußballtrainer erklärte Austritt berechtigt? Gab es also für den Fußballtrainer einen derart wichtigen Grund, das Arbeitsverhältnis zum Fußballclub mit sofortiger Wirkung aufzulösen? Und war der Austritt rechtzeitig? Dazu meinte der Oberste Gerichtshof sinngemäß und zusammengefasst folgendes: Der Fußballpräsident habe mit seinem Interview im Sportmagazin die Grenzen sachlicher Kritik am Fußballtrainer in ungebührlicher Weise überschritten. Insbesondere sei die Bezeichnung „Ćevapćići und Ražnjići“ für (ehemalige) Landsleute des Fußballtrainers keine sachliche Kritik an der Spielerauswahl des Fußballtrainers, wobei in diesem Zusammenhang auch ein überdurchschnittlich gut bezahlter und in der Öffentlichkeit stehender Fußballtrainer eines Bundesligaclubs solche Äußerungen nicht tolerieren müsse. Und selbst wenn der Fußballpräsident in der Vergangenheit gegenüber dem Fußballtrainer immer wieder eine rüde Ausdrucksweise verwendet haben sollte, folge daraus nicht, dass sich der Fußballtrainer damit abgefunden und einer solchen Ausdrucksweise sogar zugestimmt hätte. Darüber hinaus sei der erst am Tag nach der Kenntnis des Interviews erklärte Austritt des Fußballtrainers insofern noch rechtzeitig gewesen, als der Fußballtrainer erst am Folgetag einige seiner Spieler mit dem neuen Sportmagazin gesehen und damit erst zu diesem Zeitpunkt die volle Tragweite der abwertenden Äußerungen mit den möglichen Folgen seines Autoritätsverlusts bei der Mannschaft erkannt habe.

Fazit: Der Austritt des Fußballtrainers war im Ergebnis berechtigt. Der Fußballclub wurde letztlich dazu verpflichtet, dem Fußballtrainer insgesamt Euro 173.822 netto an Kündigungsentschädigung, Abfertigung sowie Urlaubsersatzleistung zu bezahlen. Am Ende kamen dem Fußballclub die vom Fußballpräsidenten verwendeten Kraftausdrücke somit nicht gerade billig.

Siehe dazu insbesondere:

  • OGH 22.2.2006, 9 ObA 42/05z.
  • RIS-Justiz RS0028815 T2.
  • RIS-Justiz RS0028687 T7.
  • RIS-Justiz RS0029091 T5.
  • RIS-Justiz RS0028677 T7.