Die Natursteinplatten mit Schönheitsfehlern

Ein Fall zu Gewährleistung & Schadenersatz bei Lieferung von Natursteinplatten mit Schönheitsfehlern, die gutgläubig auf einer Liegenschaft verbaut werden.

Manchmal kann eine verfehlte Lieferung von Natursteinplatten für einen Unternehmer weitreichende rechtliche Folgen in einem nicht erfreulichen Ausmaß annehmen. So zum Beispiel in einem Fall, als ein Unternehmer einem Konsumenten zu einem Preis von etwa Euro 10.000,- netto die Lieferung von aus Griechenland importierten Natursteinplatten („Cristallo White“) versprach, die der Konsument für die Verlegung des Außenbereichs seiner Liegenschaft durch ein anderes Unternehmen benötigte. Das Bauvorhaben verlief nicht ganz reibungslos. Es folgt ein gewährleistungs- und schadenersatzrechtlicher Überblick im Zusammenhang mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 10.2.2017 zur Geschäftszahl 1 Ob 209/16s.

Erstes Problem: Der Unternehmer lieferte dem Konsumenten nur Natursteinplatten im Ausmaß von circa 195 Quadratmetern, obwohl für eine vollständige Verlegung der Gesamtfläche Natursteinplatten im Ausmaß von 223 Quadratmetern benötigt wurden. Zweites Problem: Die Natursteinplatten einer vom Unternehmer vorgenommenen Nachlieferung hatten im Vergleich zu den Natursteinplatten der Erstlieferung verschiedene feine Farb- und Strukturunterschiede, wodurch aufgrund der optischen Abweichungen ein Schönheitsfehler im Gesamtbild entstand. Drittes Problem: Der Konsument erfuhr von den optischen Unterschieden der Natursteinplatten erst, nachdem bereits alle Natursteinplatten auf der Liegenschaft verbaut worden waren. Viertes Problem: Ein Abbruch der Natursteinplatten und eine gesamte Neuverlegung mit optisch einheitlichen Natursteinplatten soll etwa Euro 130.000,- kosten.

Wie kam es zu dieser Minderlieferung für eine Fläche von 28 Quadratmetern? Der Unternehmer meinte diesbezüglich zum Auftragsinhalt, dass laut Wunsch des Konsumenten einzelne abgrenzbare Teilflächen der Liegenschaft von den Natursteinplatten ausgespart bleiben sollten und auf dieser Grundlage eine Mengenberechnung der notwendigen Natursteinplatten erfolgt sei. Der Konsument bestritt das und stellte sich vielmehr auf den Standpunkt, der Unternehmer hätte ihm die Lieferung von ausreichend Natursteinplatten für eine Gesamtfläche der Liegenschaft zugesagt und die Mitarbeiter des Unternehmers hätten aufgrund eines Messfehlers die Berechnung der Gesamtfläche falsch vorgenommen. Zwei verschiedene Versionen über eine entscheidende Frage also, was zwischen den Beteiligten eigentlich tatsächlich Vertragsinhalt war.

Im Gerichtsverfahren sollte sich nach Durchführung des Beweisverfahrens schließlich herausstellen, dass der Unternehmer die Minderlieferung an Natursteinplatten für die verbliebene 28-Quadratmeter-Fläche schuldhaft vertreten muss. Damit hat der Unternehmer als Folge für diesen aufgetretenen Mangel gewährleistungs- und schadenersatzrechtlich gegenüber dem Konsumenten einzustehen. Aber in welcher Form soll das hier im konkreten Fall bei den schon verbauten Natursteinplatten geschehen? Mit einer finanziellen Abgeltung für den Austausch aller Natursteinplatten gegen einheitliche Natursteinplatten auf der Gesamtfläche? Mit einer finanziellen Abgeltung für einen teilweisen Austausch von Natursteinplatten in bestimmten Bereichen, wobei optische Abweichungen bleiben würden? Mit einer Minderung des vereinbarten Lieferpreises von Euro 10.000,- netto und einem finanziellen Ausgleich für den Wertverlust der Liegenschaft wegen des optisch uneinheitlichen Gesamtbilds? Oder mit einem Ausbau und einer Rückgabe aller verbauten Natursteinplatten auf Kosten des Unternehmers sowie einem gänzlichen Entfall seines Preisanspruchs von Euro 10.000,- netto?

Der Konsument wollte sich die optischen Abweichungen der Natursteinplatten auf seiner Liegenschaft jedenfalls nicht gefallen lassen. Immerhin spielte die optische Qualität beim Kauf der Natursteinplatten ja eine besondere Rolle und kam der Ästhetik auch eine wertbildende Eigenschaft zu. Er verlangte vom Unternehmer daher für die Abtragung aller bereits verlegten Natursteinplatten und für die neuerliche Verlegung von optisch einheitlichen Natursteinplatten die Zahlung der Sanierungskosten über rund Euro 130.000,-. Das Landesgericht Salzburg in erster Instanz und das Oberlandesgericht Linz in zweiter Instanz gaben dem Konsumenten diesbezüglich Recht, zumal beim Austausch der Natursteinplatten nur in Teilbereichen immer noch optische Abweichungen erkennbar wären und gerade auf das optische Erscheinungsbild eben ein besonderer Wert gelegt worden sei. Der Unternehmer wurde zur Zahlung an den Konsumenten verpflichtet.

Diese Zahlungspflicht ging sodann dem Unternehmer aber insbesondere deshalb zu weit, weil er Schadenersatz in der Höhe der gesamten Sanierungskosten nur aufgrund eines bloßen Optikmangels bei den Natursteinplatten als unverhältnismäßig befand. Und das sah auch der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 10.2.2017 zur Geschäftszahl 1 Ob 209/16s so, der damit den Entscheidungen der Vorinstanzen widersprach. Denn die vom Konsumenten begehrten Sanierungskosten in der Höhe von rund Euro 130.000,- würden ein Vielfaches des Preises für die Natursteinplatten in der Höhe von etwa Euro 10.000,- netto betragen, es liege bloß ein ästhetischer Mangel ohne Beeinträchtigung des funktionellen Gebrauchs vor, die Erstlieferung habe ohnehin bereits 87% der zu verlegenden Gesamtfläche umfasst und man könne die Verbesserungspflicht möglicherweise durchaus auf abgrenzbare Teilbereiche der Gesamtfläche beschränken.

Also wäre nach dem Obersten Gerichtshof vor allem zu klären: Wie teilt sich die mit Natursteinplatten zu verlegende Gesamtfläche der Liegenschaft bestehend aus den einzelnen Bereichen Haus, Freisitz, Hauseingang, Wege, Terrasse und Sauna genau auf? Wie kann die Gesamtfläche optisch in mehrere Teilflächen zerlegt werden? In welchen Bereichen wurden die optisch abweichenden Natursteinplatten der Nachlieferung verlegt? Befinden sich die optischen Übergänge zwischen den unterschiedlichen Natursteinplatten der Erstlieferung und der Nachlieferung innerhalb oder außerhalb von solchen räumlich abgegrenzten Teilflächen? Fallen die Übergänge und die Unterschiedlichkeit der Natursteinplatten als störend in die Augen oder liegen sie von zentralen Positionen aus betrachtet in nicht sofort einsehbaren Bereichen? Können künftige Witterungsverhältnisse nicht ohnehin negative Auswirkungen auf die einheitliche Optik der Natursteinplatten haben? Und wäre nicht etwa auch die Verlegung einer Teilfläche mit einem interessant kontrastierendem Material eine Alternative?

Erst nach Beurteilung dieser Fragen auf Tatsachenebene soll eine angemessene Summe bestimmt werden können, die der Unternehmer an den Konsumenten als teilweisen Beitrag zu den Sanierungskosten leisten muss. Ein Geldersatz für eine vom Konsumenten begehrte Abtragung der gesamten bereits verlegten Natursteinplatten und eine neuerliche Verlegung von einheitlichen Natursteinplatten ist für den Obersten Gerichtshof in diesem Einzelfall nämlich nicht mehr verhältnismäßig. Auch wenn der Unternehmer somit grundsätzlich gegenüber dem Konsumenten für den optischen Mangel einzustehen hat, wurde er in letzter Sekunde von einer viel höheren Ersatzpflicht befreit. Sein teilweiser Beitrag wird am Ende wohl um einiges unter Euro 130.000,- liegen. Die endgültige Entscheidung darüber steht aus, das Landesgericht Salzburg wird sich jetzt im weiteren Verfahren mit den vom Obersten Gerichtshof aufgeworfenen Zusatzfragen befassen.

Fazit: Die Vertragsgestaltung zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher dürfte aus Sicht des Unternehmers wahrlich nicht optimal verlaufen sein. Der im Verfahren unter anderem strittige Leistungsgegenstand, welches Lieferausmaß zwischen dem Unternehmer und dem Konsumenten für welche Flächen der Liegenschaft genau vereinbart war, wurde von den Gerichten nämlich dahingehend ausgelegt, dass der Unternehmer dem Konsumenten die Lieferung von optisch einheitlichen Natursteinplatten in ausreichendem Ausmaß für die Verlegung der gesamten Außenflächen schuldete. Liefert der Unternehmer bei einer solchen Vereinbarung schließlich zu wenig optisch einheitliche Natursteinplatten, wirkt sich das zu seinen Lasten aus. Die Folgekosten eines derartigen Schönheitsfehlers können für den Unternehmer vor allem dann beträchtlich werden, wenn eine Nachlieferung aus derselben Charge der Natursteinplatten nicht mehr möglich ist und die optische Mangelhaftigkeit der Natursteinplatten überdies erst nach einem bereits erfolgten gutgläubigen Verbau zum Vorschein tritt. Klar ausformulierte Vereinbarungen zwischen den Beteiligten ohne Auslegungsspielraum über den geschuldeten Leistungsgegenstand sollten in der Regel allerdings vor einem solchen gewährleistungs- und schadenersatzrechtlichen Natursteinplattenfiasko schützen. Und allen Beteiligten viel Ärger ersparen.

Siehe dazu:
• OGH 21.6.2016, 1 Ob 58/16k (erster Rechtsgang).
• OGH 10.2.2017, 1 Ob 209/16s (zweiter Rechtsgang).