Die Rollenverweigerung im Theaterarbeitsgesetz

Zu Rollenverweigerungen von Darstellern, die oft im Spannungsverhältnis zwischen Arbeitnehmerinteressen, Arbeitgeberinteressen & Kunstinteressen stehen.

Das Arbeitsrecht enthält eine Vielzahl an verschiedenen Bestimmungen über die rechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ist der Arbeitnehmer zum Beispiel ein Opernsänger oder ein Schauspieler und der Arbeitgeber ein Theaterunternehmen, sind die wechselseitigen Rechte und Pflichten zwischen diesen Personen unter anderem im Theaterarbeitsgesetz (früher: Schauspielergesetz) umschrieben. Dort setzen sich die jeweiligen Regelungen mit den Besonderheiten des sogenannten Bühnenarbeitsvertrags auseinander, wodurch ein Ausgleich zwischen den häufig widerstreitenden Arbeitnehmerinteressen, Arbeitgeberinteressen und zusätzlich auch Kunstinteressen geschaffen werden soll.

Eine spezielle Frage wirft sich gerade bei Darstellern, die zum fixen Ensemble eines Hauses zählen, immer wieder aufs Neue auf: Wann darf ein Darsteller die Übernahme einer ihm vom Theaterunternehmen zugeteilten Rolle verweigern? Die diesbezügliche Antwort richtet sich nach § 19 Theaterarbeitsgesetz: Die Rollenverweigerung eines Darstellers ist gerechtfertigt, (i) wenn die Darstellung der Rolle geeignet ist, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit zu gefährden oder wenn sie dem Darsteller aus Gründen der Sittlichkeit nicht zugemutet werden kann, (ii) wenn die Rolle außerhalb der künstlerischen Mittel des Darstellers oder außerhalb des Kunstfachs gelegen ist, für das der Darsteller vertraglich verpflichtet worden ist oder (iii) wenn dem Darsteller die Darstellung einer Rolle zugemutet wird, die seine wirtschaftliche oder künstlerische Stellung erheblich zu schädigen geeignet ist.

Vor diesem Hintergrund lässt sich nun so einiges diskutieren: Muss ein Darsteller eine Rolle mit einer Nacktszene übernehmen oder ist eine solche Verpflichtung vielleicht unsittlich? Inwieweit ist eine Rollenverweigerung gerechtfertigt, wenn ein „großer“ Darsteller nur eine „kleine“ Rolle erhält und sein guter Ruf darunter leidet? Oder wie verhält es sich bei der Zuteilung einer Rolle, die nicht unbedingt zu den erwiesenen Stärken eines Darstellers zählt? Fragen über Fragen also. Und die jeweiligen Antworten hängen einzelfallbezogen vor allem von den verschiedenen Bühnengepflogenheiten samt Diskussionen über den künstlerischen Stellenwert einer Rolle ab.

Die Rechtsprechung zur Rollenverweigerung von Darstellern ist spärlich, was aber nicht unbedingt bedeutet, dass es keine diesbezüglichen Streitigkeiten geben würde. Ein größerer Gerichtsstreit wurde etwa einmal zwischen einem Opernsänger und einem Opernhaus geführt, als der Opernsänger die Übernahme einer Gesangspartie bei einer Welturaufführung ablehnte, weil ihm das Stimmfach nicht gelegen wäre und er sich daher leicht versingen hätte können. Diese Rollenverweigerung sahen die Gerichte allerdings als ungerechtfertigt an, zumal durch die Übernahme der Rolle und einige wenige Aufführungen kein konkreter Gesundheitsschaden für die Stimme erwiesen war. Und außerdem hätte der Opernsänger die Rollenverweigerung besser ohne schuldhafte Verzögerung und nicht erst nach Verstreichen der halben Probezeit gegenüber dem Opernhaus geltend machen sollen. Eine angedachte Rollenverweigerung setzt in Anbetracht dessen eine reifliche Überlegung vor der endgültigen Entscheidung voraus, damit sie bei einer womöglich folgenden Streitigkeit rechtlich sinnvoll vertretbar bleibt. Denn mitunter kann der Darsteller bei einer ungerechtfertigten Rollenverweigerung auch Gefahr laufen, dass das Theaterunternehmen den Bühnenarbeitsvertrag vorzeitig auflöst.

Verallgemeinernd zeigt sich an Rollenverweigerungen von Darstellern ein im Arbeitsrecht regelmäßig anzutreffendes Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Arbeitnehmers und jenen des Arbeitgebers: Einerseits liegt es im Wesen eines Bühnenarbeitsvertrags, dass sich ein Darsteller bei den künstlerischen Umsetzungen von Bühnenwerken den Anweisungen des Theaterunternehmens fügen muss, wofür der Darsteller als Gegenleistung ja auch sein Entgelt erhält. Andererseits soll ein Darsteller vor solchen Rollenzuteilungen geschützt werden, die für den Darsteller sittliche, gesundheitliche oder wirtschaftliche Gefährdungen befürchten lassen oder den Ruf des Darstellers schädigen. Wie diese Interessensabwägung mit juristischen und künstlerischen Einschlägen im Einzelfall letztlich wohl ausfällt? Die Antwort wird meistens umstritten sein. Aber was nicht umstritten ist, wäre ja auch nicht sonderlich interessant.

Siehe dazu insbesondere:
• § 19 Theaterarbeitsgesetz.
• Scherff, Theaterarbeitsgesetz – Kurzkommentar (2014), 81ff.
• ASG Wien 21.10.1996, 24 Cga 113/95b, ARD 4847/32/1997.
• OLG Wien 3.9.1997, 8 Ra 160/97a, ARD 4890/4/1997.
• OGH 29.1.1998, 8 ObA 7/98g.
• RIS-Justiz RS0109398.