Die ziemlich kaputte Ehe

Ein Beispiel für eine Scheidung aus gleichteiligem Verschulden der Ehegatten.

Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch hat eine eher unromantische Vorstellung von der Ehe, die nach dem Gesetz schlicht ein Vertrag zwischen Frau und Mann ist. Dabei erklären die Ehegatten, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen und sich gegenseitig Beistand zu leisten. Und im Rahmen einer umfassenden Lebensgemeinschaft sollen die Ehegatten einander insbesondere zum gemeinsamen Wohnen, zur Treue, zur anständigen Begegnungen sowie zum Beistand verpflichtet sein.

Nicht immer wird im täglichen Leben dieses gesetzliche Idealbild erfüllt. So gibt zum Beispiel eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17.2.2011 zur Geschäftszahl 2 Ob 192/10i tiefere Einblicke in eine ziemlich kaputte Ehe. Diese Ehe zwischen Frau und Mann wurde am 25.2.2005 eingegangen, knapp drei Jahre später wurde am 7.3.2008 bei Gericht die Scheidung begehrt. Schon die Voraussetzungen der Eheschließung waren allerdings eher ungünstig. Denn die Frau wurde früher als geplant schwanger, forderte daraufhin vom Mann die Ehe und drohte aufgrund seines anfänglichen Zögerns mit einer Abtreibung. Das eheliche Zusammenleben verlief durchwegs wenig harmonisch. Ein Überblick:

  • Während der Schwangerschaft äußerte die Frau gesundheitliche Beschwerden, deren organische Ursachen nicht feststellbar waren und vermittelte ihrer Umwelt den Eindruck, im Mittelpunkt stehen zu wollen. Nach der Geburt übernahm die Frau in Angelegenheiten des gemeinsamen Kindes zum Missfallen ihres Mannes unreflektiert die Meinung ihrer Mutter, anstatt sich an die Empfehlungen von Hebamme und Kinderarzt zu halten. Im Zusammenhang mit der Taufe des Kindes kam es zu Meinungsunterschieden zwischen Frau und Mann über eine zu teure Torte, die gewählte Dekoration und die Sitzordnung.
  • Nach der Eheschließung zogen die Ehegatten in eine etwa 150 Quadratmeter große Wohnung in einem Schloss des Mannes, in dem jedoch auch dessen Mutter wohnte. Die Frau soll dieses Fruchtgenussrecht ihrer Schwiegermutter nicht anerkannt haben und lud ihre Schwiegermutter etwa auch nicht zu ihrer Geburtstagsparty im Jahr 2007 ein, weil anscheinend nicht genug zum Essen da gewesen wäre. Mit den Geschwistern des Mannes, die sich mit ihren Familien häufig im Schloss aufhielten, hatte die Frau ebenfalls ihre Probleme. Im Allgemeinen geriet die Frau aufgrund ihrer egozentrischen Art leicht in Konflikt mit ihrem Umfeld.
  • Zwischen Frau und Mann war besprochen worden, dass die Frau den Haushalt ohne fremde Hilfe führt, wenn sie keiner außerhäuslichen Arbeit nachgeht. Daher schickte der Mann zwei von der Frau bestellte Putzfrauen im Hinblick auf die seiner Ansicht nach bescheidenen finanziellen Verhältnisse wieder weg. Gleichermaßen lehnte der Mann einen Wunsch seiner Frau nach einem eigenen Auto ab, zumal sie einen VW Passat mit einem Wechselkennzeichen mitbenutzen konnte. Die Frau war mit ihren Wünschen gegenüber ihrem Mann grundsätzlich sehr fordernd.
  • Schon kurze Zeit nach der Eheschließung beschimpften die Ehegatten einander wüst, dies auch vor anderen Familienmitgliedern und dem gemeinsamen Kind. Dann trat die Frau den Mann bei einer Auseinandersetzung einmal aus dem Bett. Bei einer wiederum anderen Auseinandersetzung warf der Mann das Buch seiner Frau zwei Mal aus dem Fenster, als sie lesen wollte. Letztlich setzte der Mann im Zuge von verschiedenen Auseinandersetzungen drei tätliche Übergriffe gegenüber seiner Frau, bei denen er die Frau im Wesentlichen an der Kleidung packte und schüttelte, wodurch die Frau einmal von seinen Fäusten im Brustkorbbereich getroffen wurde und einmal zur Wand fiel. Mit einer einstweiligen Verfügung wurde der Mann schließlich für die Dauer von drei Monaten aus der Ehewohnung verwiesen.

Am Ende bestand zwischen Frau und Mann immerhin eine Einigkeit darüber, dass ein weiteres eheliches Zusammenleben wenig sinnvoll war und die Ehe besser geschieden werden sollte. Weniger Einigkeit bestand zwischen Frau und Mann dann aber wieder bei der Frage, wer am kläglichen Scheitern der Ehe schuld war. Und diese Frage wurde auch von den Gerichten unterschiedlich beantwortet: Das Erstgericht sah ein gleichteiliges Verschulden der Ehegatten, das Berufungsgericht hingegen ein überwiegendes Verschulden des Mannes und der Oberste Gerichtshof wieder ein gleichteiliges Verschulden beider Ehegatten.

Dieses gleichteilige Verschulden beider Ehegatten wurde in diesem Einzelfall sinngemäß und zusammengefasst wie folgt begründet: Während die Frau insbesondere mit ihrer egozentrischen Art samt ihrer nicht vorhandenen Anpassungsfähigkeit an die eheliche Wohnsituation den Beginn des ehezerstörerischen Verhaltens setzte und die ersten Anlässe zur unheilbaren Zerrüttung gab, waren dem Mann allen voran die drei tätlichen Übergriffe als Eheverfehlungen anzulasten, zumal jegliche Gewalt in Ehe und Familie prinzipiell verpönt ist. Und damit ging eine drei Jahre nicht sonderlich harmonisch gelebte Ehe nach einem anschließend ebenso drei Jahre dauernden Rechtsstreit zu Ende.

Siehe dazu insbesondere:

  • §§ 44, 90 ABGB.
  • § 49 Ehegesetz.
  • OGH 23.3.2010, 8 ObA 30/09h.
  • RIS-Justiz RS0057361.
  • RIS-Justiz RS0056171.
  • RIS-Justiz RS0057223.
  • RIS-Justiz RS0057020.